Archäologen stellen erste Grabungsergebnisse vor: Wolmirstedt bot schon vor 3.000 Jahren beste Lage für Siedlungen
Seit Anfang Juni 2025 finden auf der Fläche an der Samsweger Straße, auf der das neue Sport-Stadion der Stadt Wolmirstedt gebaut werden soll, archäologische Untersuchungen statt. Die Grabungsmitarbeiter um Grabungsleiterin Juliane Huthmann, die noch bis Oktober auf dem Areal arbeiten werden, haben bereits einige interessante Funde machen können. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie des Landes Sachsen-Anhalt hat nun erste Ergebnisse vorgestellt. Neben Pressevertretern ließen sich auch Wolmirstedts Bürgermeisterin Marlies Cassuhn sowie der für den Stadionbau verantwortliche Mitarbeiter Tobias Maasberg die bisherigen Funde zeigen und erläutern. Auch Wolmirstedts Museumsleiterin Mary-Anette Pilz schaute den Archäologen bei dem Termin über die Schulter.
Die Funde erläutert das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in einer entsprechenden Pressemitteilung folgendermaßen:
„Die archäologischen Arbeiten auf einer Fläche von ungefähr 21.000 Quadratmetern am westlichen Ortsrand von Wolmirstedt werden parallel zu Geländenivellierungen durchgeführt, die für den Bau der Sportanlage erforderlich sind. Die bisher dokumentierten Ergebnisse belegen, dass sich hier in der späten Bronzezeit eine ausgedehnte Siedlung befand. Die zahlreichen Funde und Befunde zeigen an, dass bereits vor 3.000 Jahren die günstige Lage des Platzes unmittelbar an der Ohre und nahe deren damaliger Mündung in die Elbe geschätzt wurde. Die verkehrsgünstig gelegene Region an der unteren Ohre war während der späten Bronzezeit (etwa 1.300 bis 750 vor Christus) vom Aufeinandertreffen zweier großen Kulturgruppen geprägt. Es handelt sich um den Nordischen Kreis der Bronzezeit und die Lausitzer Kultur, deren Einflüsse sich in lokalen Gruppen, wie der sogenannten Elb-Havel-Gruppe und der Saalemündungsgruppe, manifestieren.
Eine Siedlung der späten Bronzezeit
Am leicht ansteigenden nördlichen Rand der Ohreniederung konnten auf der bisher untersuchten gut 5.000 Quadratmeter großen Fläche bereits 322 archäologische Befunde dokumentiert und über tausend Funde geborgen werden. Bei den Befunden handelt es sich überwiegend um Siedlungsgruben und Abfallgruben. Zum Teil wurden für die Epoche typische runde, ursprünglich mit Flechtwerk ausgekleidete Vorratsgruben für Lebensmittel sekundär zur Entsorgung verwendet. Drei Gruben sind anhand ihrer verziegelten Seitenwände sowie mittels Fragmenten von gebranntem Lehm und Holzkohlen in den Verfüllungen als Öfen zu identifizieren. Bei zwei der Ofengruben lassen gebrannte Lehmfragmente mit Abdrücken von Rundhölzern Rückschlüsse auf Ofenaufbauten beziehungsweise Ofenabdeckungen zu. Die dritte Ofengrube zeigte eine einzigartige Befundsituation: Am Grubenrand wurde neben einer
Keramikscherben-Konzentration der Panzer einer Sumpfschildkröte freigelegt; Laboruntersuchungen werden zeigen, ob beziehungsweise wie das Tier zubereitet wurde. Mehrere größere Eingrabungen sind als Materialentnahmegruben zur Lehmgewinnung zu interpretieren.
Einige Gebäude der Siedlung konnten über Pfostengruben nachgewiesen werden. Anhand der konstruktiven Pfosten sind ein größeres Wohnhaus sowie kleinere Wirtschaftsbauten und Speicherbauten identifizierbar. Das nicht vollständig erfasste zweischiffige Hauptgebäude war 4 Meter breit und mehr als 6 Meter lang. Die sechspfostigen Speicherbauten hatten eine Größe von etwa 2 mal 3 Meter. Hervorzuheben ist ein eingetieftes Gebäude von 4 mal 3,3 Meter Größe. Eine Reihe von pyramidenförmigen Webgewichten lässt erkennen, dass es sich um ein Webhaus gehandelt hat. Auf einem stehenden Webstuhl wurden Stoffbahnen von ungefähr 60 Zentimeter Breite hergestellt.
Unter dem umfangreichen Fundmaterial der Wolmirstedter Grabung dominiert Gefäßkeramik: Für die späte Bronzezeit charakteristische rauhwandige Vorratstöpfe und Kochtöpfe sowie teilweise verzierte Krüge und Tassen. Daneben wurden vereinzelt bronzene Ringe sowie Pfrieme aus Bronze und Knochen geborgen. Überwiegend handelt es sich bei den gefunden Tierknochen – unter anderem von Rind, Schwein, Schaf/Ziege – allerdings um Speisereste.
Eine rätselhafte Bestattung
Über reine Siedlungstätigkeit hinaus weist der Fund eines menschlichen Skeletts. Während die Toten in der späten Bronzezeit üblicherweise auf Scheiterhaufen verbrannt und auf Urnengräberfeldern außerhalb der Siedlungen beigesetzt wurden, kommen gelegentlich Köperbestattungen innerhalb von Siedlungsarealen vor. So auch in Wolmirstedt: In einer Siedlungsgrube fand sich ein Toter in Hocklage mit verdrehtem Kopf. Bei dem Toten handelt es sich um einen erwachsenen, kräftigen Mann, der etwa 1,7 Meter groß war. An den Knochen konnten bei der ersten Sichtung keine Traumata oder Mangelerscheinungen festgestellt werden. Über die Motivation für derartige ›irreguläre‹ Bestattungen herrscht Unklarheit. Sind sie Zeugnis ritueller Handlungen? Gab es mehrstufige Beisetzungsvorgänge? Spiegeln sie eine soziale Differenzierung wider?
Ausblick
Die Ausgrabungen in Wolmirstedt geben einen vielschichtigen Einblick in die Welt der späten Bronzezeit. Nach Abschluss der Geländearbeit und Auswertung von Grabungsdokumentation und Fundmaterial wird ein komplexes Bild einer Siedlung beziehungsweise einer Gehöftgruppe in einem kulturellen Grenzraum entstehen. Die Ausgrabungen des achtköpfigen Teams des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt werden noch bis zum 15. Oktober 2025 andauern.“
Der Bau des Stadions stellt das größte Investitions-Vorhaben der Stadt Wolmirstedt seit dem Jahr 1990 dar. Der symbolische Spatenstich, der für die Öffentlichkeit den Start des Projekts markierte, fand am 22. Mai 2025 statt. Im Hintergrund liefen die Vorbereitungen jedoch schon seit mehr als fünf Jahren. 2023 beispielsweise erfolgten die konkretere Bauleitplanung, Entwurfsplanung und baufachliche Prüfungen, Förderanträge wurden gestellt und erste Ausschreibungen getätigt.
Im Jahr 2024 ging das Baugenehmigungsverfahren weiter, wurden Bauleistungen vergeben und archäologische Erkundungen vorgenommen. Nach dem ersten Spatenstich im Mai 2025 starteten im Juni die archäologischen Feldarbeiten. Erste Ergebnisse dieser Grabungen stellt das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt am 23. Juli der Öffentlichkeit vor.
Noch bis Oktober 2025 sind die archäologischen Erkundungen angesetzt, parallel dazu laufen sogenannte Geländeregulierungs- und Erschließungsarbeiten. In den Jahren 2026 und 2027 wird der eigentliche Stadionbau stattfinden, dann werden Großspielfelder mit Naturrasen und Kunstrasen, eine Kampfbahn des Typs B, ein Funktionsgebäude, eine Tribüne, ein Werferfeld und Parkplätze gebaut sowie Außenanlagen und Nebenflächen hergerichtet. Einen Termin für die Stadionweihe hat die Stadt Wolmirstedt bereits im Blick, sie ist für den 4. September 2027 vorgesehen.
Nach aktuellem Stand kostet das Vorhaben rund 10,5 Millionen Euro. Davon werden etwa 4,3 Millionen Euro über Fördermittel des Landes Sachsen-Anhalt finanziert. Im neuen Stadion nahe der Samsweger Straße sollen künftig die Sportvereine „Ohrekicker“ und „SV Kali“ trainieren, auch von Schulen und Kindertagesstätten soll die Freisportanlage genutzt werden. Wenn das neue Stadion gebaut ist, wird das alte Stadion im Küchenhorn zurückgebaut und die Fläche renaturiert, um ihrer natürlichen Funktion wieder nachzukommen und im Falle eines Hochwassers Wasser aus der Ohre aufzunehmen.